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Bibliothek der Dinge Friedrichshain: Eine Werkstatt für Vertrauen

Samstagnachmittag, 15:30 Uhr in der Boxhagener Straße. Vor der Tür lehnt ein Lastenrad mit Werkzeugkisten, drinnen stehen Regale voller Geräte: Bohrmaschinen, Beamer, Gartengeräte, Zelte. Hier, in der Bibliothek der Dinge Friedrichshain, kann man alles ausleihen, was man nur manchmal braucht. Es ist ruhig, freundlich und irgendwie entschleunigt – wie ein Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft.

Ich bin überrascht, wie vertraut der Ort wirkt. Kein Schild mit Regeln, keine Schalter. Stattdessen Menschen, die einander erklären, wie man mit dem ausgeliehenen Akkuschrauber umgeht.

Was hinter dieser Idee steckt

„Wir wollen Besitz neu denken“, erklärt mir Jonas, einer der Freiwilligen. „Die meisten Dinge liegen 90 Prozent der Zeit ungenutzt herum. Wenn wir sie teilen, sparen wir Ressourcen – und wir kommen miteinander ins Gespräch.“

Er hat recht. Während ich mit ihm spreche, kommt eine Mutter mit ihrem Sohn herein. Sie bringen eine Heißklebepistole zurück und unterhalten sich kurz mit einem älteren Mann, der gerade eine Bohrmaschine leiht. Es ist kein Austausch von Waren, sondern einer von Vertrauen.

Was ich in einer Stunde dort beobachtet habe.

Während ich mich im Raum umschaue, wird mir klar, dass Teilen hier viel mehr bedeutet als das gemeinsame Nutzen von Gegenständen. Es ist ein stilles Versprechen zwischen Menschen. Wer etwas leiht, übernimmt Verantwortung und geht sorgsam mit dem um, was ihm anvertraut wird. Gleichzeitig entsteht eine Nachbarschaft, die nicht auf Besitz basiert, sondern auf Vertrauen.

Ich sehe, wie Menschen sich gegenseitig Tipps geben, Werkzeuge erklären oder kleine Tricks teilen, die sie aus Erfahrung kennen. Wissen fließt frei, ohne Gegenleistung, einfach weil jemand Freude daran hat, etwas weiterzugeben.
Nachhaltigkeit ist in der Bibliothek kein theoretisches Konzept, sondern alltägliche Praxis. Jedes geliehene Gerät spart Rohstoffe, reduziert Müll und verhindert, dass Dinge ungenutzt in Schränken verstauben.

Was mich besonders beeindruckt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der hier Gleichheit gelebt wird. Ob jemand viel oder wenig Geld hat, spielt keine Rolle. Der Zugang zu den Dingen steht allen offen, ohne Kaution, ohne Kontrolle. Diese Offenheit verändert etwas – in der Haltung der Menschen und in der Art, wie sie miteinander umgehen.

Warum mich dieser Ort überrascht hat?

Ich hatte erwartet, ein pragmatisches Nachhaltigkeitsprojekt zu sehen. Stattdessen fand ich eine kleine Kultur des Vertrauens.
Es ist etwas Besonderes, wenn dir jemand ohne Vertrag oder Pfand einfach eine Säge in die Hand drückt und sagt: „Bring sie einfach wieder zurück.“
Dieses einfache Vertrauen in Menschen, das ist vielleicht die stillste Form von Solidarität, die ich seit Langem erlebt habe.

Bibliothek der Dinge Friedrichshain
Boxhagener Straße 109, 10245 Berlin
Mehr Infos und Ausleihzeiten findest du hier.

Zwei Orte, eine gemeinsame Idee

Die Kiezkantine und die Bibliothek der Dinge könnten unterschiedlicher kaum sein. Doch beide zeigen, wie Solidarität als alltägliche Praxis funktioniert.
Hier wird geteilt, was vorhanden ist – Zeit, Wissen, Werkzeuge, Mahlzeiten.
Und vielleicht sind genau solche Orte der Anfang einer Stadt, die weniger auf Konkurrenz und mehr auf Fürsorge baut.