Wie Fontane als scharfzüngiger Theaterkritiker seinen einzigartigen Stil entwickelte und dieser Plauder- und Bummelton zur Signatur des Romanciers wurde. Ein Spaziergang vom Potsdamer Platz zum ehemaligen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt.

Der Potzdamer Platz um 1900 …

Ich stehe auf dem belebten Potsdamer Platz und fühle den Puls der Stadt. Doch meine heutige Wanderung durch Berlin-Mitte sucht nicht die modernen Rekorde, sondern die leisen Beobachtungen eines Mannes, der hier lebte, arbeitete und schrieb: Theodor Fontane. Er verbrachte den Hauptteil seines Lebens in Berlin. Es geht darum, wie Fontane durch seine journalistische Arbeit in der Hauptstadt jenen einzigartigen „Plauder- und Bummelstil“ entwickelte, der ihn zum größten deutschen Realisten machte. Und so lautet Fontanes berühmtes Zitat: „Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.“ Oder wie der Kabarettist Dieter Hildebrandt es uminterpretierte: „Berliner zu sein [kann] jedem passieren, jederzeit und überall.“

… und um 2025. Hier findet man auch heute noch Zeit und Orte zum Entspannen.

Kennst du die Ecke, die Fontane zur literarischen Werkstatt wurde?

Unsere Tour beginnt im Schatten des Potsdamer Platzes, obwohl Fontanes Wohnhaus (Potsdamer Straße 134c) im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Er lebte hier von 1872 bis zu seinem Tod. Bemerkenswerterweise entstanden seine wichtigsten Romane, wie Effi Briest und Der Stechlin, als er weit über 70 Jahre alt war.

Gerade in dieser Gegend, am Übergang zur neuen Großstadt, beobachtete Fontane die rasanten Veränderungen. Er sah die neue „Größe“ Berlins, aber auch die damit verbundene „Kleinheit, Enge und Unfreiheit“.

Die Gedebnktafel in der Joseph von Eichendorff Gasse 2.

Ich treffe Herrn Kramer, den ehemaligen Buchhändler, an der Joseph von Eichendorff Gasse 2 . Er hat die Hektik der Stadt im Blut. „Sehen Sie“, sagt er, „der Alte hat schon damals die abstumpfende Unterwürfigkeit und das rücksichtsloseste Strebertum gesehen, das an die Stelle des feinen Ehrgefühls trat“. Fontane nutzte diese Beobachtungen später, um die preußische Gesellschaft in seinen Romanen messerscharf zu sezieren.


Folge Fontanes Schritten ins Zentrum der schnellen Presse

Fontane war zwar Apotheker, aber er hing den „ganzen Kram an den Nagel“, um Schriftsteller zu werden. Unsere Route führt uns direkt in das ehemalige Zeitungsviertel rund um die Zimmer- und Markgrafenstraße. Hier befanden sich die Redaktionen, wo Fontanes journalistische Karriere reifte.

Er arbeitete für verschiedene Blätter, darunter später die liberale Vossische Zeitung. Seine Fähigkeit zur Vor-Ort-Recherche und das Sammeln von Anekdoten waren sein Handwerkszeug. Oft waren es schlichte Zeitungsmeldungen, die ihm Ideen für Romane lieferten – so soll ein Duell in der Berliner Hasenheide die Vorlage für Effi Briest gewesen sein.

Das Stammhaus des Mosse-Verlags im Zeitungsviertel. Damals …

Diese Gegend war das nervöse Herz der Presse. Ich stelle mir vor, wie Fontane am ehemaligen Verlagshaus Mosse vorbeieilte und spüre, wie diese Hektik bis heute in den modernen Medienzentren, wie dem Springer-Konzern, nachhallt. Wir erkennen: Die Frage Fontanes nach Wahrheit und Täuschung in der Gesellschaft bleibt hier aktuell.

Zitat:

„Ich will nur noch Roman und Novelle schreiben und mich auf diesem Gebiet legitimiren.“

… und heute.

Was wir Fontanes „Plauderton“ vom Gendarmenmarkt verdanken

Unsere letzte wichtige Station ist der Gendarmenmarkt. Hier steht heute das Konzerthaus, aber früher war es das Königliche Schauspielhaus. Dies ist der Ort, an dem Fontane seinen legendären Stil perfektionierte.

Er arbeitete 20 Jahre lang als Theaterkritiker für die Vossische Zeitung. Sein Platz: Parkettplatz 23. Fontane sah rund 700 Aufführungen und schrieb fast 650 Kritiken. Seine Kritik war rezeptionsorientiert: Er wollte unterhalten und nutzte einen Plauderton, gespickt mit Wortwitz und Anekdoten. Er setzte dem „gelehrten“ Ton der Kritiker-Kollegen eine „schnoddrige Entakademisierung“ entgegen.

Das königliche Schauspielhaus um 1825..

Als Maßstab zählten seine eigenen Gefühle: „Nicht meine Paragraphen, sondern meine Empfindungen haben zu Gericht zu sitzen“. Dieser lockere, aber scharfe Ton wurde später zur Signatur seines Romancier-Stils. Er ließ seine Figuren in Dialogen die Wahrheit enthüllen.

Ich stelle mir vor, wie hier in einem der eleganten Lokale wie Borchardts oder Lutter & Wegner das Fräulein Lene aus Irrungen und Wirrungen sitzt. Sie ist eine elegante, aber melancholische Figur, die perfekt in die Berliner Gesellschaft Fontanes passt. Sie erinnert mich an die Frauen in Fontanes Romanen, deren Intelligenz und Mut oft gegen die starren gesellschaftlichen Normen kämpfen mussten. Fontane, so sage ich mir, war hier nicht nur Kritiker der Kunst, sondern der Gesellschaft.

Das Konzerthaus steht als zentrales Gebäude auf dem Gendarmenmarkt. Das klassizistische Bauwerk ist eines der Hauptwerke des Architekten Karl Friedrich Schinkel. Es wurde 1821 als Königliches Schauspielhaus eröffnet und war von 1919 bis 1945 Preußisches Staatstheater. Im Jahr 1994 erhielt es den Namen „Konzerthaus Berlin“.

Die Botschaft: Fontanes Berlin ist ein „weites Feld“

Fontanes Weg vom Apotheker über den Reporter im Zeitungsviertel bis zum Plauder-Virtuosen im Schauspielhaus lehrt uns, dass seine Romane ein „unverzerrtes Spiegelbild“ des Lebens in seiner Zeit sind.

Heute wie damals. Das Borchardts war und ist En Vouge.

Wer heute durch Berlin geht, kann Fontanes Scharfsinn nutzen. Seine literarische Welt ist eine „Psychographie und Kritik“ der Gesellschaft, die uns zeigt, wie die Dinge stehen.

Die Botschaft ist: Fontanes Berlin ist das „weite Feld“, in dem wir die ewigen Konflikte zwischen persönlicher Freiheit und gesellschaftlichem Zwang immer wieder neu entdecken können.

Interessiert? Die nächsten Führungen zu Fontane als Plauder-Virtuose findest du hier.