An diesem Tag hatte icih eigentlich gar nicht vor, so lange zu bleiben. Eigentlich wollte ich nur ein paar Fotos machen und kurz mit den Leuten sprechen. Doch schon nach zehn Minuten in der Kiezkantine Moabit sitze ich selbst mit am Tisch, esse eine dampfende Portion Kichererbseneintopf und unterhalte mich mit zwei Nachbarinnen, die sich hier jeden Dienstag treffen.

Die Kantine liegt in einem alten Sozialbau an der Turmstraße, gleich hinter dem Markt. Von außen sieht man ihr kaum an, was drinnen passiert. Aber sobald du die Tür öffnest, ist da dieses Gefühl von Nähe. Jemand lacht laut, Teller klappern, Kinder rennen herum. Und mittendrin das Team der Kantine, das mit einem scheinbar einfachen Konzept etwas Revolutionäres schafft: Essen als soziale Praxis.

Was diese Küche anders macht als alle anderen.

Die Idee ist simpel, aber konsequent umgesetzt: Jede Person zahlt, was sie kann. Wer Geld hat, gibt mehr. Wer keines hat, isst trotzdem mit. Niemand muss sich erklären, niemand wird registriert.
„Wir wollen, dass Menschen wieder spüren, dass sie dazugehören“, sagt Sibel, die eine der Gründerinnen ist. „Essen ist das unmittelbarste Mittel dafür.“

Und tatsächlich: Während ich dort sitze, sehe ich, wie schnell ein Tisch Fremde in eine Gruppe verwandelt. Das passiert fast beiläufig – über das gemeinsame Essen, über das Lachen, über das Teilen von Salzstreuern.

Warum diese Küche den Kiez verändert?

1. Hier wird Care sichtbar: Es geht nicht nur ums Essen, sondern darum, füreinander zu sorgen.
2. Das Geld verliert seine Macht: Solidarität ersetzt Preise.
3. Wissen zirkuliert: Menschen bringen ihre Rezepte mit, erzählen von Herkunft und Alltag.
4. Kochen wird politisch: Bio-Produkte kommen aus solidarischer Landwirtschaft, nicht vom Großmarkt.
5. Aus Gästen werden Teilnehmende: Viele, die regelmäßig kommen, helfen selbst mit, ohne dass jemand sie dazu auffordert.

Mein Eindruck nach einem Nachmittag am Suppentopf

Als ich gehe, steht draußen eine kleine Schlange. Eine Frau winkt mir zu und ruft: „Komm nächste Woche wieder, es gibt Couscous!“
Ich muss lächeln, weil mir klar wird, dass ich hier kein Restaurant besucht habe, sondern eine soziale Struktur. Eine, die Wärme in ein System bringt, das oft kalt geworden ist.

Kiezkantine Moabit
Turmstraße 75, 10551 Berlin
Mehr Infos und Öffnungszeiten findest du hier.