Wenn die Krankenkasse nicht weiterweiß: Mein Besuch im Gesundheitskollektiv Neukölln

Ich war in den letzten Monaten viel unterwegs in Berlin, auf der Suche nach Orten, an denen Solidarität nicht nur eine Idee ist, sondern ganz praktisch gelebt wird. Orte, an denen Menschen füreinander da sind, wenn Systeme versagen. Einer dieser Orte hat mich besonders beeindruckt: das Gesundheitskollektiv Neukölln, kurz GeKo.

Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn du dich im Dschungel aus Formularen, Terminen und Zuständigkeiten verlierst. Wenn du eigentlich Hilfe brauchst, aber niemand wirklich zuständig scheint. Genau da setzt das GeKo an. Es zeigt, dass Gesundheit mehr ist als Medizin und dass Zugehörigkeit manchmal die beste Therapie sein kann.

Warum das GeKo anders ist als alles, was du kennst.

Das GeKo liegt etwas versteckt auf dem Gelände der alten Kindl-Brauerei in der Rollbergstraße 30. Von außen wirkt es unscheinbar, innen öffnet sich ein lebendiger Ort gelebter Solidarität. Sobald ich das Gebäude „Alltag“ betrete, merke ich, dass es hier nicht um reine Abläufe geht, sondern um Begegnung. Keine sterile Atmosphäre, sondern Wärme, Stimmen, Lachen und der Duft von Kaffee aus dem Café Praxis, wo Menschen miteinander ins Gespräch kommen.

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Unter einem Dach findest du hier eine allgemeinmedizinische Praxis, eine kindermedizinische Praxis, psychologische Beratung, Sozialberatung und einen offenen Treffpunkt. Alles ist mehrsprachig, niedrigschwellig und kostenlos.
Eine Mitarbeiterin sagt mir: „Wir wollen, dass niemand durchs Raster fällt.“ Genau das spürt man. Dieses Zentrum ist wie ein Anker für Menschen, die Orientierung suchen.

Wenn dir alles über den Kopf wächst: Wer hilft dann wirklich?

Im Wartebereich lerne ich Frau Elif kennen. Sie ist mit ihren zwei Kindern hier und erzählt mir, wie sie zum GeKo gefunden hat.

„Ich wusste irgendwann nicht mehr, wo ich anfangen soll“, sagt sie. „Die Wartezeiten, die Anträge, das war alles zu viel. Im GeKo konnte ich endlich mit jemandem sprechen, der mir zuhört und mir erklärt, wie ich mich im System zurechtfinde.“

Für sie war das GeKo kein gewöhnliches Gesundheitszentrum, sondern ein Ort, der Last abnimmt und Vertrauen schafft. Sie konnte wieder Kraft schöpfen und sich auf das konzentrieren, was wirklich zählt: ihre Kinder.
Mir wird klar, dass hier nicht nur behandelt wird. Hier wird begleitet, gestärkt und aufgefangen.

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5 Gründe, warum das GeKo so wichtig für unseren Kiez ist.

  1. Gesundheit ohne Hürden: Alle Angebote sind kostenlos, offen und in mehreren Sprachen verfügbar. Niemand wird ausgeschlossen.
  2. Ganzheitliche Hilfe: Medizinische Versorgung, Beratung und Gemeinschaft gehören hier zusammen. Denn wer Sorgen um Miete oder Finanzen hat, kann schwer gesund werden.
  3. Ein Ort der Begegnung: Das Café Praxis ist mehr als ein Treffpunkt. Es ist ein sozialer Raum, in dem Nachbarschaft entsteht.
  4. Teilhabe statt Abhängigkeit: Viele Menschen, die einmal Unterstützung erhalten haben, engagieren sich später selbst. So entsteht gelebte Solidarität.
  5. Unabhängigkeit durch Gemeinsinn: Das GeKo ist gemeinwohlorientiert und politisch unabhängig. Es finanziert sich über Spenden und Mitgliedschaften.

Diese fünf Punkte zeigen für mich, warum jedes Viertel ein Zentrum wie das GeKo braucht.

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Wie aus Hilfesuchenden Mitgestaltende werden

Herr Thomas ist dafür ein gutes Beispiel. Er kam über das Gruppenangebot „Mehr Bewegung im Alltag“ hierher. Heute hilft er regelmäßig im Café Praxis mit.

„Ich bin kein Aktivist“, erzählt er. „Aber ich möchte, dass dieser Ort bleibt. Hier gibt es dieses Geben und Nehmen, das ich sonst im Alltag vermisse. Wenn du dich einbringst, bekommst du etwas zurück – das Gefühl, Teil von etwas zu sein.“

Seine Worte bleiben mir im Kopf. Sie zeigen, wie aus Hilfesuchenden Mitgestaltende werden. Solidarität funktioniert, wenn Menschen sich gegenseitig stärken.

Gesundheit ist mehr als Medizin.

Das GeKo denkt Gesundheit größer. Denn wer Angst vor einer Mieterhöhung hat oder sich Sorgen um seine Finanzen macht, kann kaum gesund werden. Deshalb gibt es hier Beratung zu Mieter*innenrechten, Unterstützung bei Behörden, Gruppenangebote zu psychischer Belastung und zur Stressbewältigung.

Gesundheit bedeutet hier nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern auch Sicherheit, Selbstbestimmung und soziale Teilhabe. Diese Sichtweise verändert, wie man über Wohlbefinden nachdenkt.

Wie die urbane Praxis Berlin zusammenhält.

Ich habe das GeKo auch bei unserem Projekt Kiosk der Solidarität erlebt. Ende September 2024 standen wir gemeinsam auf dem Alfred-Scholz-Platz unter dem Motto „Energy for Change“. Das Ziel war, Nachbarinnen und Nachbarn zu erreichen, die das GeKo bisher nicht kannten.

Heike Drechler, Berlin, Juli 2022

Diese „urbane Praxis“, also das bewusste Hinausgehen in den öffentlichen Raum, ist entscheidend. Sie baut Brücken, fördert Zugehörigkeit und macht Solidarität sichtbar. Das GeKo ist dadurch nicht nur ein Ort der Versorgung, sondern ein lebendiger Teil des Stadtlebens.

Und du? So kannst du das GeKo unterstützen.

Das GeKo ist kein Teil des großen Gesundheitssystems. Es ist ein gemeinwohlorientiertes Projekt, das von Menschen getragen wird, die Verantwortung füreinander übernehmen. Wenn du möchtest, dass solche Orte bestehen bleiben, kannst du ganz konkret helfen: Mitglied werden, spenden oder einfach vorbeischauen.

Gesundheitskollektiv Neukölln
Rollbergstraße 30, 12053 Berlin
(Gelände der Kindl-Brauerei, Gebäude „Alltag“)

Mehr Infos und Termine findest du hier.

An diesem Tag bin ich mit dem Gefühl nach Hause gegangen, dass Berlin mehr solcher Orte braucht. Orte, an denen Menschen füreinander einstehen, jenseits von Formularen und Fristen. Orte, die zeigen, dass Gemeinschaft nicht verloren ist, sondern dort entsteht, wo wir sie gemeinsam leben.